Grundlagen | Wie vermeide ich Schwebestoffe?

Avatar UWFotonet | 25. Januar 2022

Schwebestoffe, Schwebeteilchen, Backscatter – alles ein Begriff für die gefürchteten Bildstörungen bei Unterwasseraufnahmen.

Sie können sehr unterschiedlich groß, hell und mehr oder weniger unscharf im Bild erscheinen: Weiße Punkte, die scheinbar wie aus dem Nichts erscheinen.

Egal, wie groß, wie viele und wie hell – eines haben sie gemeinsam: Sie stören! Wer also weiß, wie man sie verhindert, kann sich jede Menge Enttäuschung ersparen.

Was tun gegen Schwebeteilchen?

Die meisten Schwebestoffe lassen sich vermeiden, indem die künstliche Lichtquelle im Wasser (Blitz oder Lampe) richtig ausgerichtet werden. Aber was bedeutet “richtig”?

Wie kann ich Schwebeteilchen in der Unterwasserfotografie vermeiden?

Wenn man einmal das Prinzip verstanden hat, ist es eigentlich ganz einfach – wie immer im Leben. Schwebestoffe sollen möglichst nicht angeleuchtet werden, und wenn doch, dann möglichst schwach und nur so, dass das Licht nicht zur Kamera reflektiert. Das ist auch nicht nur in der Theorie einfach. Mit ein paar Handgriffen und der richtigen Ausrüstung verlieren die Schwebestoffe schnell ihren Schrecken.

In diesem Artikel zeigen wir ganz konkret, wie Schwebeteilchen in Unterwasserfotos und -filmaufnahmen vermieden werden können.

Zu den Quicktipps zur Vermeidung von Schwebestoffen

Zur Erklärung: Wie entstehen Schwebestoffe?

Lösung 1: Immer ruhig bleiben

Lösung 2: Mut zur Lücke

Lösung 3: Weiter weg bleiben

Lösung 4: Schräg von der Seite

Lösung 5: Größe hilft

Lösung 6: Rot, Weiß oder Rosé

Fazit

Quicktipps

  • Das Licht zwischen Kamera und Motiv nicht anleuchten
  • Blitze nach hinten nehmen (ungefähr auf Höhe der Ohren)
  • Kein grelles Licht verwenden
  • Nur mit den Außenkanten der Blitze das Motiv beleuchten
  • Blitze nach außen drehen (von dem Unterwassergehäuse weg)

Wie entstehen Schwebeteilchen?

Recht plastisch erklärt der englische Begriff “Backscatter” die Ursache für die gefürchteten Störungen in einer Unterwasseraufnahme:  Backscatter lässt sich mit “Zurück-Streuen” übersetzen. Das Licht, das von einem Blitz oder eine Lampe ausgesandt wird, wird zurück in Richtung der Kamera reflektiert. Dort erscheint es als helle Punkte, die häufig die Ästhetik  des Bildes zerstören. Verantwortlich dafür: Kleine, nicht gelöste Partikel im Wasser. Diese werden als “Schwebestoffe” oder noch genauer “Schwebeteilchen”  bezeichnet.

Schwebestoffe haben viele Ursachen. Hier war es durch die Dünung aufgewirbelter Sand in der False Bay in Südafrika

Diese Schwebeteilchen, die auf Unterwasseraufnahme als störende Lichtpunkte wahrgenommen werden, befinden sich zwischen Motiv und Unterwassergehäuse. Genauer ausgedrückt: Die Partikel, die sich im Blickfeld des Objektives der Kamera befinden, sind die, die Schwierigkeiten machen können. Werden sie in einem ungünstigen Winkel angeleuchtet, erscheinen sie als weiße Bildstörungen auf der Aufnahme. Dabei können sie klein im Hintergrund auftreten oder aber so massiv auftreten, dass sie das Motiv unerkennbar machen.

Ohne den Spruch von kleiner Ursache und großer Wirkung überstrapazieren zu wollen. Das Leben ist ohne “Backscatter” so viel einfacher. Mit dem richtigen Umgang mit Blitz und Lampe ist das auch gar nicht so schwer zu erreichen!

Was tun gegen Schwebestoffe?

Das Wasser frei von Schwebestoffen halten

Wenn das Wasser so gut wie schwebestofffrei ist, sind auch weniger Schwebeteilchen auf den Fotos – klar! Meist leichter gesagt als getan. Denn viele Gewässer haben von sich aus schon eine hohe Schwebestoffdichte. Trotzdem ist hier ein gutes Timing viel wert!

Nur selten ist Wasser so frei von Schwebestoffen, wie in dem eiskalten Gletscherwasser in Islands Kontinentalspalte Silfra

Das Erste und Einfachste ist es natürlich, die Aufnahmen möglichst in einem Wasser frei von Schwebeteilchen zu machen. Hört sich vielleicht trivial an. Und ist gerade in den mitteleuropäischen Seen und Flüssen kaum zu bewerkstelligen. Aber trotzdem kann man einiges tun, um die Anzahl der Schwebestoffe möglichst gering zu halten.

Denn die meisten Schwebestoffe entstehen durch die Bewegungen der Taucher. Direkt nach einer großen Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass viele Schwebestoffe aufgewühlt wurden. An vielbesuchten Tauchspots haben die Schwebestoffe dazu auch noch wenig Zeit, um sich wieder abzusetzen.

Am besten man ist also als erstes am Tauchplatz!

Um zu vermeiden selbst Schwebestoffe aufzuwühlen, hilft es die eigenen Tauch-Skills zu optimieren. Das heißt: Tarieren trainieren und die Hand- und Flossenbewegungen minimieren – während man das Unterwasser trainiert, ist vielleicht auch genug Zeit vergangen und die meisten Schwebeteilchen haben sich wieder abgesetzt.

Natürlich ist dieser Tipp nicht immer umsetzbar, da viele Gewässer von sich aus schon sehr viele Schwebestoffe enthalten oder sehr trüb sind.

Je ruhiger, je besser

Egal, wie schwierig die Bedingungen auch sind, es gibt immer besser und schlechtere Zeiten, um Schwebestoff-arme Aufnahmen zu machen. Im Süßwasser sind dies häufig die kalten Wintermonate. Im Küstengewässer lohnt ein Blick auf den Gezeitenkalender. Und an den ehr überlaufenden Tauchplätzen lohnt es, morgens der Erste zu sein.

Kein Licht zwischen Motiv und Objektiv

Die ganze Kunst bei der Positionierung von Blitzen und Lampen liegt darin, das Wasser zwischen dem Motiv und der Kamera nicht auszuleuchten. 

Der hier gelb schraffierte Bereich sollte am besten nicht ausgeleuchtet werden, um Schwebestoffe zu vermeiden. Im blau schraffierte Bereich können weiterhin Schwebeteilchen im Foto oder Video zu sehen sein.

Die störenden Schwebeteilchen befinden sich im Wasser zwischen dem Motiv und dem Unterwassergehäuse. Denn die dort angeleuchteten Schwebestoffe, sind auch die, die man später auf den Bildern sieht.

Die beiden Außenkanten der Lichtkegel der Blitze sollten sich möglichst erst kurz vor dem Motiv treffen. Sodass der Bereich zwischen Motiv und Unterwassergehäuse nicht beleuchtet wird.

Großes Blickfeld – viel Platz für Schwebestoffe

Mit Weitwinkelvorsatzlinse | 130° Blickfeld des Sensors

Auch das Blickfeld des Sensors hat einen großen Effekt auf die Lichtsetzung. Durch unterschiedliche Objektive oder Weitwinkelvorsatzlinsen können unterschiedlich große Blickfelder erzeugt werden. Ist das Blickfeld, wie hier mit 130°, ziemlich groß, müssen die Blitze hinter dem Port positioniert werden, damit der Hotspot nicht im Blickfeld zu sehen ist.

Mit Weitwinkelvorsatzlinse | 90° Blickfeld des Sensors
Mit Weitwinkelvorsatzlinse | 65° Blickfeld des Sensors

Ist das Blickfeld nicht ganz so groß, besteht keiner zu große Gefahr, das die Hotspots zu sehr ins Blickfeld geraten. Und der Bereich in dem die Schwebestoffe angeleuchtet werden können ist kleiner.

Der Hotspot darf nie ins Bild hinein leuchten

Lampen und Blitze haben direkt vor ihren Leuchtmitteln den absolut hellsten Bereich. Dieser darf nicht ins Blickfeld  der Kamera geraten!

Direkt vor der Lichtquelle ist das Licht besonders grell.

Direkt vor dem Unterwasserblitz entsteht beim Auslösen ein sehr heller Hotspot. Dieser Hotspot hat ein sehr hartes und intensives Licht, dass beim Fotografieren unbedingt aus dem Bereich zwischen Unterwassergehäuse und Motiv herausgehalten werden muss.

Um den Hotspot aus dem Blickfeld des Sensors zu bekommen, nimmt man die Blitze ein Stück nach hinten, ungefähr auf Höhe der Ohren des Fotografen. Wenn die Blitze außerdem etwas nach außen gerichtet werden, also von dem Unterwassergehäuse weg, ist der Hotspot nicht in Blickfeld der Kamera.

Sind die Blitze neben den Ohren (Rote Linie), dann kann der Hotspot (rot gestrichelt) nicht in das Bilckefeld des Objektivs (grüne Line) geraten.

Licht und Objektiv in verschiedenen Ebenen ausrichten

Am meisten hilft es, Blitze und Lampen so auszurichten, dass die Schwebestoffe seitlich bzw. am besten gar nicht angeleuchtet werden.

Wenn die Schwebestoffe direkt von vorne angeleuchtet werden, reflektieren sie das Licht des Blitzes geradewegs zurück zum Objektiv der Kamera.

Dies ist die Auflösung des Rätsels, warum man im Wasser so viele Unterwasserfotografen und -filmer sieht, die mit einem großen “Hirschgeweih” tauchen: Lange Lichtarme zu beiden Seiten des Gehäuses, die auch noch mit Klammergelenken beweglich sind, ermöglichen es dem Kameraführenden die Schwebestoffe kaum bzw. nur seitlich anzuleuchten.

Außerdem gilt: Ist das Motiv weit weg vom Unterwassergehäuse, müssen die Lichtarme weit nach außen. Ist das Motiv nah dran, müssen die Lichtarme nah an das Gehäuse ran.

So wenig Licht wie möglich – und weich soll es sein

Im Zweifel: Lichtstärke reduzieren und lieber Lichtempfindlichkeit der Kamera erhöhen

Wer mit einer lichtempfindlichen Kamera fotografiert, hat den Vorteil mit einem relativ hohen ISO-Wert Unterwasser fotografieren zu können. Je nachdem, was das Rauschverhalten der Kamera zulässt, hilft es den ISO Wert zu vergrößern, um dann mit einer geringeren Lichtintensität des Blitzes auszulösen.

Deswegen macht es schon beim Kauf der Kamera Sinn, sich für eine lichtempfindliche Kamera zu entscheiden.

Gleichmäßiges und weiches Licht reduziert ebenfalls Schwebeteilchen in den Aufnahmen. Dafür lohnt es sich in einen guten Blitz zu investieren, der eine gleichmäßige Lichtverteilung innerhalb seines Abstrahlwinkels hat.

Bei Motiven im Nahbereich ist es auch möglich mit einem Diffusor zu arbeiten, um ein weiches Licht zu erhalten. Diffusoren schlucken jedoch viel Licht und sind deshalb nicht für weit entfernte Motive geeignet.

Je größer der Domeport, desto einfacher

Ein großer Domeport vor dem Unterwassergehäuse hindert das Licht daran, die Schwebestoffe anzuleuchten

Je größer der Durchmesser des  Domeport um so leichter ist es, keine Schwebeteilchen in den Fotos und Videos festzuhalten.

Die Erklärung ist ganz einfach – die Breite eines großen Domeports hindert das Licht daran, den Bereich direkt vor dem Unterwassergehäuse zu beleuchten und so werden weniger Schwebestoffe frontal angestrahlt.

Photoshop und eine gute Flasche Wein

Und wenn das alles nichts hilft, bleibt nur noch Photoshop und eine gute Flasche Wein. 

Es gibt nichts meditativeres, als stundenlang Schwebeteilchen mit den diversen Photoshop-Tools aus den Bildern zu retuschieren. Bereichsreparatur-Pinsel, Ausbessern-Werkzeug und Kopierstempel – die besten Freunde des Unterwasserfotografen auf der Jagd nach Schwebestoffen. Im stressigen Alltag ein absolutes Muss, um wieder die innere Mitte zu finden. Zen Garten war gestern – bei uns Unterwasserfotografen wird gestempelt.

Fazit

Dennoch: Schwebestoffe in Unterwasserfotos sind nicht immer etwas Schlechtes. Sie können auch den Unterwasser-Eindruck der Fotos verstärken. Oder Lichtstrahlen der Sonne können durch die Schwebeteilchen deutlicher zu sehen sein. Alles hat seine Vor- und Nachteile – die Kunst liegt darin einen kreativen Weg zu finden, um die Schwebeteilchen zum eigenen Vorteil zu nutzen.


Written by UWFotonet